Angstarbeit

Es ist erstaunlich, wie sehr sich mein politisches Denken vom idealistischen zum pragmatischen, erschreckend realitätsnahen, aus eigener Betroffenheit verändert. Dem Vogel Strauß wurde von der Wirklichkeit erheblich in den weit nach oben gereckten Hintern getreten. Die Medien sind schon lange gar nicht in der Lage, das zu sehen, was in Deutschland passiert. Und was sich hier verändert, sind Umbrüche. Das Denken verändert sich radikal. Das Politische Denken am „unteren Ende“ wird von Angst gesteuert. Man macht den Mund nicht mehr auf, sondern verdrängt. Und die Menschen, die von dieser Veränderung im Negativen betroffen sind, fühlen sich schuldig. Vielleicht ist man ja selbst an allem schuld. Nicht noch einmal alles verlieren. Man fürchtet sich davor, den Verlust nicht überwinden zu können. Das Leben als Streckbank. Die Politik (das angeblich subjektlose Subjekt), als Vollstrecker des Marktes und der Zwänge (noch so ein Subjekt ohne Gesicht), zieht die Schrauben an. Der Markt ist das Gesetz, und der Markt hat seine eigenen Gesetze. Aber der Markt soll sein Gesicht zeigen. Der Markt. Das sind doch auch wir selbst. Der Arbeitsmarkt, die Gewerkschaften, die Arbeitslosen, die ausgebeuteten Geringverdienenden . Wo bleibt die Solidarität, wenn die Angst Subjekt wird? Wenn die Angst für jeden Motivation zum Arbeiten sein soll und nicht mehr die alten Floskeln von Selbstverwirklichung usw.? Wenn nach Jahren der Absturz droht? Arbeit um der Arbeit willen… Arbeit aus Angst… Arbeitslosigkeit… die Arbeit mit der Angst… sich an der Angst abarbeiten, verarbeiten.

Leben im Rausch

Das Leben rauscht manchmal tatsächlich an einem vorbei. Es möchte heranrauschen, dieses Leben, das ich zum Subjekt dieses Satzes gemacht habe. Aber nicht das äußere Leben rauscht, es ist ganz klar. Nur die eigene Wahrnehmung ist verrauscht, zeitlos. Ich habe keine Zeit, obwohl die Zeit hin und wieder stehen geblieben zu sein scheint. Die Zeit zerrinnt, zerrauscht. Ich rausche. Dieses Rauschen ist keines, das man vielleicht aus den Dichtungen Gottfried Benns kennen könnte. Es auch nicht die „heilige“, innere Erfahrung der Subjektivität. Nicht die Auflösung von Außen und Innen, sondern ein Zustand der Vergessenheit (man müsste ja – der Redlichkeit halber – Worte wie „Vergessenheit“ bei Heidegger nachschlagen, wenn man solche Begriffe leichtfertig gebraucht). Ich vergesse meine Existenz und ich vergesse das Außen, hin und wieder erlebt man ein Zurückfallen, einen Rückfall in die Kälte, den Schnee, man denkt an die Heizrechnung usw. Diesen Rückfall erlebt man als einen Schock, der die teilnahmslose Einsamkeit bedroht, dieses selbstbezügliche Leben und Schreiben im Rausch ohne Spektakel oder wirkliche Kontemplation. Ist das ein Vorbote der Leichenstarre? Oder ein Zeichen für Arroganz: Ich will mit der Art von Leben, die mir hier angeboten wird, nichts zu tun haben. Es ist der Zustand der beängstigenden, machtlosen Berauschung. Einkehr ohne Selbsterforschung.