Liebesspiel

(Fortsetzung vom 06.01.2007)

Ich spiele Liebe mit dem geringst möglichen Aufwand. Die Welt ist draußen, es tobt ein Unwetter, und ich möchte damit gar nichts zu haben. Auch die Liebe ist da draußen. Die Liebe soll zu mir kommen und bei mir bleiben, ohne das Draußen. Wo die Liebe und ich eins werden, ist kein Draußen und kein Spiel.

Von nichts fühle ich mich weiter entfernt als von der Liebe. Und weil ein Leben ohne Liebe auf Dauer nicht lebbar ist, spiele ich sie. Wer spielt mit? Wann bemerkt jemand, dass ich falsch spiele, dass ich nicht mitspielen kann und kein richtiger Spieler bin, der die Regeln angemessen zu gebrauchen weiß.

Der Spalt in der Jalousie

In der Morgenstunde erspähe ich den neuen Tag durch einen schmalen Spalt in der noch geschlossenen Jalousie. Ein kurzer Blick durch die Öffnung, in das Grau eines sonnenlosen Tages, lässt mich zu dem Entschluss kommen, mich wieder schlafen zu legen, die Augen zu schließen, bis mich ein Alptraum oder ein Bedürfnis erwachen lässt.

Schlaflosigkeit ist das Schlimmste für alle, die nicht mehr aufwachen wollen, weil sie nicht bei klarem Verstand über ihre Alpträume nachdenken wollen. Der Spalt muss durchschritten werden – oder er muss sich schließen. Ein ewiger Blick durch die Öffnung auf etwas, dass die Angst vor lauernder Gefahr, vor einem jederzeit todbringenden (oder tödbaren) Leben nährt, ist unerträglich.

Biografien und Tagebücher

Tagebuch schreiben erscheint mir in diesen Wochen wieder als ein wenig zwecklos. Die Gedanken, die man darin aufschreibt, sind doch allein Ansichten, die man nur für kurze Dauer. Nichts, was im Fluss des Denkens Bestand hätte. Schlägt man, was selten genug vorkommt, ein paar Seiten in diesem Buch zurück, wird man sich vielleicht über das zuvor Geschriebene wundern, vielleicht sogar vor Scham erschaudern. Es bleibt nur Weniges, was Bestand hat, aber selbst das, was bestehen bleiben kann, ist meist banal. Das Spontane, die Egozentrik, das Banale, die Selbstverhaftung versperren das, was wahr ist und das, was war. Die vermeintliche Authentizität ist ein Betrug. Vielleicht sollten die Menschen, denen man im Leben begegnet, ein Tagebuch über denjenigen schreiben, der sich ein solches wünscht. Sie sollten alle Vorstellungen, Vorurteile, Wahrnehmungen usw., die sie bei der Begegnung mit dem Menschen hatten, der sich ein besonders authentische Biografie wünscht, niederschreiben. Vielleicht sollten sogar all die, die ihn überhaupt nicht kennen, ein Tagebuch über den Unbekannten schreiben. Und vielleicht käme das einer “Wahrheit” näher. Wahrscheinlich wäre das Ergebnis für den “Biografierten” sehr unbefriedigend, aber das Ergebnis wäre wohl ein wenig aufrichtiger. “Selbsterkenntnis” durch ein Tagebuch zu erhalten, das ist doch wirklich sehr unwahrscheinlich. Es gibt dem Schreibenden vielmehr die Möglichkeit, sich selbst in eine Schublade zu stecken. Wem sollten wir es schließlich zumuten, eine Biografie zu schreiben? Ein biografische Notiz ist schon zu viel verlangt.

Nun gut, wir gehen jetzt einmal davon aus, dass man sich einen eigenen Biografen leisten kann. Der teuer bezahlte Biograf, finanziell abhängig vom Auftraggeber, muss sich beim Schreiben beschneiden. Er muss, möchte er einen gewinnbringend arbeiten, die Person in einem möglichst positiven Licht erscheinen lassen, welches der Öffentlichkeit gefällt. Das ist er der Biograf sich selbst und dem Beschriebenen schuldig. Selbst wenn die wohlmeinende Darstellung nicht gewünscht wäre, würde sich der Biograf darum bemühen, dass der Dargestellte mit der Verschriftung seines Lebens zufrieden ist. Und selbst, wenn keiner dem Biografen einen Auftrag gibt: Der Schreibende ist nie unabhängig. Immer gibt er auch etwas von seiner Welt und seinen Wünschen hinzu, selbst wenn er noch so sehr versuchte, sich zum Verschwinden zu bringen.

“Wahres” kann man scheinbar nur schreiben, wenn man sich ein Stück weit vom Subjekt, auch von sich selbst, entfernt. Wenn man ein Stückweit versucht, aus sich heraus zu treten und der Sprache selbst ihren Raum gibt und ihre Fähigkeit, Realitäten zu erzeugen anerkennt. Und wenn man auch ihr, der Sprache, genug Skepsis entgegen bringt.