Abgründe

Es gibt Abgründe, in die man hinein schaut, ohne eine Befreiung zu entdecken, von dem, was hinter einem liegt. Der Abgrund ist die Entscheidung zwischen Leben und Tod. Wer entscheidet? Das kann verschieden sein. Das Leben am Abgrund ist auf lange Sicht nicht ohne ernsthafte Zerstörung von Gefühlen, dem Tod von Emotionen, möglich. Das Denken radikalisiert sich, es dreht sich, es dreht sich alles so lange, bis alles verschwimmt. Schwimmen können, sich bewegen, ist Leben. Das Verschwimmen kann Klarsicht bedeuten, es kann aber auch einfach „Schwarzsehen“, den „Tod sehen“ heißen.

Schreiben des Selbst (2)

Die Verschriftlichung des Selbst („L’écriture de soi“), diese Prüfung des eigenen Lebens, ohne zu urteilen und zu richten, kann eine wirkliche Motivation sein, die einen näher an eine Erkenntnis oder ein Ziel bringen.

Staunen und Verändern

Warum bekommt man so selten die Gelegenheit jemand anders, auf andere Weise kennen zu lernen? Meist bemerken wir die Veränderung des Anderen erst, wenn es zu einem Abbruch des Kontakts kommt. Das mag auch daran liegen, dass wir Veränderungen dem Anderen sehr übel nehmen (besonders Veränderungen, die man selbst nicht angewiesen hat). Wir müssen uns dann nämlich selbst ändern, um das neue andere am Anderen zu verstehen. Vielleicht gibt man oft zu schnell aus Bequemlichkeit auf.
Aber diese Gewohnheit hindert uns auch daran, neue, andere Erfahrungen mit dem Anderen zu machen. Die Gewohnheit verleitet uns dazu, immer das Gleiche, Vorhersehbare zu erleben. Selbst wenn wir uns auf ein Abenteuer einlassen, haben wir schon eine gewisse Vorstellung davon, wie sich dieses Abenteuer gestalten soll. Bei unserer Vorstellung von einem Abenteuer greifen wir wieder auf alte Erfahrungen, Eindrücke, Angelesenes zurück. Das ist klar. Aber trotzdem lassen wir nichts unversucht, das Andersartige zu bändigen, indem wir es klassifizieren, berechnen, in einen Zusammenhang einordnen, der uns schon altbekannt erscheint. Das Staunen muss schließlich zurücktreten aus Angst vor dem, was unser Denken vielleicht aus der Bahn werfen könnte. Fehlt der Mut, das Staunen zu umarmen?