Nichts erwarten (1)
Ich erwarte nichts mehr als das Schlimmste, was allenfalls noch durch einen unglaublich seltenen glücklichen Zufall (einen Lottogewinn o.ä.) abgewendet werden kann. Schade, dass ich kein Lotto spiele.
Ich erwarte nichts mehr als das Schlimmste, was allenfalls noch durch einen unglaublich seltenen glücklichen Zufall (einen Lottogewinn o.ä.) abgewendet werden kann. Schade, dass ich kein Lotto spiele.
Ich lese nicht mehr… Ich lese nicht mehr, weil ich, wenn ich ans Lesen denke, nur an „ich müsste das und das unbedingt einmal lesen“, „ich sollte das mal in Angriff nehmen“ denke (wie absurd diese Formulierung ist!). Wie ein trotziges Kind stemme ich mich dagegen und weiß dabei nicht, ob es aus Desinteresse, Lethargie oder tatsächlich aus Trotz geschieht. Dem Klischee nach hat jemand, der nicht mehr liest, auch sein Recht auf literarisches Schreiben verwirkt.
Schreiben. Ich kann nur kurze Texte schreiben. Kurze Texte, weil mit der lange Atem fehlt. Und woher soll man denn den langen Atem nehmen, wenn die Angst die Luft abschnürt?
Mein Schädel brummt. Ich lenke mich ab von jeder Verpflichtung, selbst wenn die Verpflichtung Leben heißt. Anstrengend habe ich es empfunden, auch für andere ein Leben zu führen, wo das eigene Leben und Überleben schon die höchste Anstrengung erforderte und mich „scheinbar“ und schließlich überforderte. Ich kann nicht mehr schreiben, weil ich nicht leben, nicht erfahren kann. Ich wünschte, ich hätte Besseres, weniger Egozentrisches geschrieben. Es ist nicht gut, wie ich mein Leben hinbekommen habe.
Die meisten Einschnitte waren Zufälle, ich bin in etwas hineingefallen, weil ich zu lange untätig war. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die durch ihre Warmherzigkeit und Aufmerksamkeit das von mir ins Leben zurückholen, was nicht von ihnen gefordert wird. Das sind Ereignisse, die das bloße Existieren zum emphatischen Leben machen. Es gibt so viele Menschen, die ich verloren habe. Vielleicht habe ich sie verloren, weil ich immer schon verloren gewesen bin, man kann mich nur kurz finden, kurz versuchen zu entdecken, doch schnell wird man bemerken, dass ich allein in diesem Leben bin. Es ist ein Leben, das ich mir so zurecht gelegt habe. Mein Leben ist auf sich selbst gestellt. Es lässt kein Außen zu, blockiert es, will sich nicht offenbaren. Zu viel Schmerz kam von Außen, die Angst ist Innen geblieben. Die Angst regiert dieses auf sich selbst bezogene Leben. Die Angst schließt mich in diesem Leben ein. Aber die Angst hat auch Risse.
Mein Schreiben braucht die Möglichkeit. Schreiben geht nur im Zustand der Beweglichkeit, wenigstens einer minimalen Beweglichkeit. Schreiben kann kaum im Zustand der vollkommenen Vereinbarung stattfinden. Mein Schreiben ist insofern gedrängt, dass ich selbst danach dränge, eigentlich nicht ich, sondern das Schreiben selbst drängt. Ich darf dagegen nicht gezwungen werden. Dann wäre mein Schreiben nicht mehr mir, es wäre auch nicht sich selbst, sondern ein aufgezwungenes Schreiben, ein Bestellung. Aber eigentlich ist alles Schreiben gezwungenes Schreiben, weil es kein Außerhalb des Zwanges der Schrift gibt. Kein Schreiben ohne Schrift, die das Geschriebene zwingt. Kein Schreiben ohne Sprache, Kultur und Geschichte. Das wissen wir. Doch Ausgangspunkt des Schreibens ist – trotz dieses Wissens um den Mangel an „Authentizität“ – doch der Selbstbetrug. Motivation bleibt die Illusion der Präsenz und der Glaube an „den Einfall“ und „die Muße“. Und all diese Dinge, die eigentlich durch das Wort „Erfahrung“ ersetzt werden müssten. Vielmehr müsste es für uns heißen, man darf uns nicht die Erfahrung mit der Geschichte und den Geschichten rauben, sonst können wir nicht wahrhaftig schreiben.