Auf dem Kopf gehen
Manchmal wünscht man sich wie Büchners Lenz “auf dem Kopf gehn” zu können, so dass man, wie Celan in seiner Preisrede sagte, “den Himmel als Abgrund unter sich” hat. Wenn einem die Welt als verkehrt und falsch erscheint, eigentlich als “ver-rückt” und auf den Kopf gestellt ist, dann muss man sich zunächst auf den Kopf stellen und sie dann kopfüber durchschreiten, um sich in die Perspektive der anderen Menschen hineinversetzen zu können oder um die eigene Sicht der Welt zu überprüfen. Aber das “Auf-dem-Kopf-Gehen” wäre eine äußerst schmerzhafte Prozedur. Vom Kopffüßer zum modernen Menschen, weg vom Boden, entfernt vom Meer, hinaufgewachsen in den Himmel, war es ein langer Weg. Selbstbewusst und erhobenen Hauptes feiert der vernünftige Mensch seine vertikale Sichtweise der Welt. Dabei hat er die Perspektive aus den unteren Regionen verdrängt. Für denjenigen, der den gewohnten Gang der Dinge als ein schmerzhaftes “Auf-dem-Kopf-Gehen” empfindet und für den dieser Gang einen ewigen Blick in den Abgrund bedeutet, der muss über die “aus seiner Sicht” verkehrte Welt verzweifeln.