Umschläge
Die Briefe, in denen es um Gefühle und die wirklich wichtigen Dinge geht, die also von Herzen kommen, sollte man vielleicht manchmal gar nicht erst abschicken. Der andere wird die Worte ohnehin nicht verstehen, jedenfalls nicht so verstehen, wie man sie gemeint hat. Einige Zeit später wird man sich wahrscheinlich darüber ärgern, dass man das ebenso behutsam wie mühsam Geschriebene auf den Weg zum andern geschickt hat, der es nicht wie gewünscht versteht. Die Worte sind eben nicht man selbst, und man will sich ja selbst bei so einer wichtigen Mitteilung in den Briefumschlag stecken. Eigentlich reicht es also, wenn man einen vollkommen leeren Briefumschlag, ohne äußerer Beschriftung wie Adresse und Absender, beim anderen, dem Empfänger, einwirft. Ihrer Funktion nach sind Briefumschläge Geheimnisträger und Botschafter.
Aber muss ein Umschlag immer zusammen mit einem Brief am gleichen Ort ankommen? Eine Briefsendung ist bis zu einem gewissen Punkt eine der wenigen aufhaltbaren kommunikativen Ereignisse, besonders dann ist diese Eigenschaft wünschenswert, wenn die Geschehnisse in ihrer Folge immer unaufhaltbarer und geradezu zwingend werden. Mit einem leeren Umschlag kann der Empfänger vielleicht viel mehr anfangen. Es kann sein, dass er oder sie einmal einen Brief an ein Amt oder an eine Behörde schreiben möchte, und dann ist es doch wunderbar, gleich einen kostenlosen Umschlag zur Hand zu haben und den Antrag oder die Erklärung hineinzustecken. Der längst fällige Brief an die Eltern oder ein gefühlvoller Brief an jemand anderen kann ebenso darin Platz finden. Vielleicht versteht es dieser andere auch besser, das Gewünschte und Erwartete auszusprechen und damit eine gewünschte und erwartete Reaktion zu erhalten.